Freitag, 17. Dezember 2010

Kardinal Bartolucci zur Kirchenmusik

Seit ich dieses Blog eröffnet habe, war ich in der peinlichen Lage, das Thema "Domenico Bartolucci" zu umkreisen. Dieser langjährige Leiter der Sixtinischen Kapelle wird gerade in konservativen Kreisen und unter Traditionalisten sehr geschätzt, weil er - nach eigener Aussage - niemals die nach dem II. Vaticanum erneuerte Messe zelebrierte und aus seiner berechtigten Ablehnung der Messgestaltung unter Johannes Paul II. keinen Hehl machte ("Wenn das Theater vorbei ist, rufen Sie mich..."). Dafür wurde er vom Heiligen Stuhl mit viel Undank und entgegen der Zusage der lebenslangen Ernennung quasi zwangspensioniert.

Andererseits muss man objektiv die Leistungen des Chores der Sixtinischen Kapelle sehen, was durch Ohrenzeugen und Aufnahmen aus der damaligen Zeit zu belegen ist. Die Qualität der vatikanischen Musik ist nicht erst unter Johannes Paul II. unterirdisch, wahrhaft unterirdisch, geworden. Das Problem bestand offenkundig schon länger. Und ob ein Mann von 80 Jahren (als er 1997 in den Ruhestand geschickt wurde) rein physisch noch in der Lage war, den Chor gut zu leiten, möchte ich aus reicher Erfahrung mit den Leistungen einiger geschätzter, aber eben tragisch in die Jahre gekommener Kollegen doch etwas anzweifeln.

Manchmal braucht es eben einen mehr oder minder dezenten Hinweis, dass es doch an der Zeit wäre, aufzuhören - bevor es unüberhörbar wird, dass es einfach nicht mehr geht...

Meine subjektiven Gefühle Bartolucci gegenüber sind also recht ambivalent. Ich schätze seine Interviews und seine klaren Aussagen zur Kirchenmusik, insbesondere eben auch zum theologischen Unterbau der geistlichen Musik, die niemals Kunst um ihrer selbst Willen ist. Aber der gerade in Traditionalistenkreisen nachgerade euphorischen Lobhudelei seines Lebenswerkes kann ich mich doch nicht vorbehaltlos anschließen.

Dennoch mache ich keinen Hehl aus meiner Freude darüber, das unser Heiliger Vater Benedikt XVI. den altgedienten Chorleiter mit über 90 Jahren noch zum Kardinal kreiert hat. Der damalige Kardinal Joseph Ratzinger machte nach der Absetzung Bartoluccis kein Geheimnis daraus, dass er die Absetzung für falsch hielt.

Man kann diese Ernennung durchaus als klares Signal für die vom Papst gewünschte "Reform der Reform" auffassen, und als erneute deutliche Absage an den liturgischen Kurs des vergangenen Pontifikats, nachdem er schon den Zeremoniar seines verstorbenen Vorgängers, Erzbischof Piero Marini, auf eine vollkommen unbedeutende Kurienposition abgeschoben hat.

Möge die Restauration, oder besser: Renaissance, der katholischen Litugie mutig voranschreiten!

Doch nun zu einem BERICHT AUF ZENIT.ORG, der heute zum Auslöser dieses kleinen Artikels wurde. Ein lesenswertes Interview mit Kardinal Domenico Bartolucci, aus dem ich folgende Abschnitte hier zitieren möchte:
- Glauben Sie, dass Kirchenmusik wieder zu dem werden kann, was sie einmal war?

Kardinal Domenico Bartolucci: Das wird Zeit brauchen. Die Meister der alten Zeiten gibt es nicht mehr, weil es nicht mehr nötig ist, dass es sie gibt. Ich will es hoffen. Benedikt XVI hat eine Vorliebe für Gregorianik und Polyphonie und will die Verwendung der lateinischen Sprache wieder einführen. Er versteht, dass ohne das Latein das Repertoire der Vergangenheit dazu bestimmt wäre, im Archiv zu verschwinden. Es ist notwendig zu einer Liturgie zurückzukehren, die der Musik, dem Geschmack am Schönen und auch der wahren sakralen Kunst Raum gibt.

- Was denken Sie über das Singen der versammelten Gemeinde in den liturgischen Feiern?

Kardinal Domenico Bartolucci: Achtung, bitte keine Verallgemeinerung. Ich bin nicht gegen den Volksgesang, wie mir vorgeworfen wurde. Schon vor dem Konzil schrieb ich Volkslieder für die Liturgie in italienischer Sprache. Sie waren in den Pfarreien sehr verbreitet. Es gibt Kontexte, wo eine „Schola Cantorum" oder ein Chor nötig sind, um echte Kunst zu machen. Betrachten wir zum Beispiel das Repertoire des Gregorianischen Chorals oder das große polyphone Repertoire, der wahre Künstler verlangt, damit sie er so klingt, wie er sein soll. In diesen Fällen beteiligt sich das Volk in all seinen Rechten, im Aufnehmen und Hören, aber es sind die Sänger, die ihre Professionalität und Kompetenz in den Dienst der anderen stellen. Leider haben Viele in diesen Jahren der Entwicklung gedacht, dass Teilnahme heißt „irgendwas zu tun".

Dazu erlaube ich mir, auf zwei meiner eigenen Texte hinzuweisen:
STILLOSIGKEIT ALS GESTALTUNGSPRINZIP? und
DARF DER CHOR DAS SANCTUS SINGEN?, hier vor allem unter Berücksichtigung der Gedanken zur "participatio actuosa".

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