Aus brahmanischem Haus stammend faszinierte den jungen Hindu [Gaurav Shroff, Anm.] die Schönheit der Kirchenmusik, mit der er an der St. Xavier Schule in Mumbai in Berührung kam. Am 15. August, dem Fest Maria Himmelfahrt, an dem in Indien auch der Unabhängigkeit des Landes gedacht wird, verspürte er während der Heiligen Messe, der er beiwohnte „die Gewißheit der Nähe Gottes. Der Gregorianische Choral erhob meinen Geist und ließ in mir ein Staunen über die Herrlichkeit des Heiligen entstehen“. Es sei dann eine ganz logische Folge gewesen, daß ihn die ästhetische Schönheit zu jener der eucharistischen Schönheit führte, erzählt Gaurav.So begann der 18-Jährige aus der oberen Kaste, der klassische Musik studierte, das private Studium der Kirchengeschichte, zunächst vor allem „um zu verstehen“, was die großen Musiker und Komponisten zu ihren „großartigen Werken zur Ehre Gottes inspiriert“ hatte und was sie bewog, „ihre Kunst in den Dienst der Liturgie zu stellen“.
Auf dieser Suche fand der junge Mann dann seine wahre Berufung. Im Jahr 2006 wurde er Novize im Paulistenorden, einer amerikanischen Gemeinschaft. Derzeit lebt er im Priesterseminar der Diözese Atlanta, und wird - "so Gott will" - 2013 die Priesterweihe empfangen.
In der Tat hat sich die Begegnung mit dem Gregorianischen Choral immer wieder als reiches Feld der Berufung gezeigt: ich kenne viele Priester, aber auch Ordensleute und Kirchenmusiker, die durch den Kontakt mit dem Choral zu ihrem Beruf gefunden haben.
Mein früherer Gregorianikdozent, der aus dem Münsterland kam, erinnerte sich gerne an die Messen seiner Kindertage zurück, bei denen ein Benediktinerpater im Altarraum "mit weit ausladenden Bewegungen und wehendem Habit" die Gemeinde beim Choralgesang leitete.
Als ich selber mit 15 Jahren zum ersten Mal in meiner Heimatgemeinde den Orgeldienst übernahm, hatte ich noch die Freude, die Werktagsmessen mit zwei pensionierten Geistlichen zu erleben: der eine Priester meiner Heimatdiözese, und trotz seiner mehr als neunzig Lebensjahre von bemerkenswerter Agilität, der andere ein nach dem Krieg vertriebener Priester der Diözese Ermland, der es sich auch an Werktagen nicht nehmen lies, wortgewaltig und glaubenstreu zu predigen. Beiden war es noch selbstverständlich, dass ein Priester jeden Tag die Messe feierte. Beide wünschten regelmäßig ein gregorianisches Ordinarium. Ich begleitete also, so gut ich damals konnte, an der Orgel, während der jeweilige Zelebrant stimmgewaltig die Gesänge anstimmte.
Nie wieder habe ich so intensive und "dichte" Werktagsmessen erlebt. Es schmerzt mich, heute zu sehen, wie immer mehr Werktagsmessen abgeschafft werden (trotz ausreichender Anzahl von Priestern vor Ort), die wenigen Gläubigen sich beim Wortgottesdienst im Stuhlkreis um den Altar setzen müssen, sich dort sichtlich unwohl fühlen - und sich mehr schlecht als recht durch "Neue Geistliche Lieder" winseln. Der Gottesdienstbesuch nimmt stetig ab, eine Feierstimmung kommt nicht mehr auf, statt auf Gottesdienst wird auf Gruppenerfahrung gebaut.
Selbst ein Freund, der nicht kirchlich sozialisiert ist, bekundete mir gegenüber neulich sein Erstaunen über "diesen Firlefanz". Warum, so fragte er, vertraut eure Kirche nicht auf das, was sie immer getan hat? Ich musste peinlich berührt zugeben, dass das eine der wenigen Fragen ist, auf die ich keine Antwort kenne. Und dass es einer der wenigen Punkte ist, an dem ich unsere Kirche selbst nicht verstehe.
Der Zusammenbruch des gottesdienstlichen Lebens ist nicht mehr zu übersehen. Die große Kirchenmusik begeistert zahlreiches Publikum im Konzert, während man sich Sonntagsmorgens mit Blockflötengruppen und Jugendbands malträtieren lassen muss, die auf einem Niveau spielen, bei denen sie als Schülerband andernorts gnadenlos ausgebuht würden.
Die Gläubigen ziehen sich resigniert zurück und flüchten in die Messen in der weiteren Umgebung.
Dennoch werden die Verantwortlichen nicht müde, vom "neuen Frühling" zu schwärmen, den der "Geist des Konzils" gebracht hat...
Dass in diesem Umfeld keine Berufungserfahrung mehr möglich ist, merkt offenbar niemand. Da hilft auch alles Gebet um Priesterberufungen nicht. Wo wir den Acker nicht bereiten, kann der Herr nicht säen.
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