Freitag, 25. September 2009

Gedanken zum Sanctus

Ein Lied nach der Präfation, ein unverzichtbarer Bestandteil des Hochgebets. Dennoch gerne von liturgischer Experimentierwut heimgesucht, durch Beliebigkeit verdrängt, aus Bequemlichkeit gekürzt oder lieblos heruntergebetet. Welche Bedeutung hat dieser Gesang in der Liturgie? Wie sollte man mit ihm umgehen?

Das Sanctus ist eines der ältesten Teile der Messe, und früher Kernbestand des Gesangsrepertoires. In den Handschriften, die uns den Gregorianischen Choral überliefern, finden wir es oft ohne Noten (Neumen) überliefert. Ein Zeichen für gute Überlieferung und weite Verbreitung. Es ist ein zweigeteilter Text, dessen Ursprüngen in Jesaja, einem Psalmvers und im Matthäusevangelium liegen. Wenn die Kirche im Hochgebet der Messe das Sanctus anstimmt, kommt sie damit dem Auftrag der Kirchenmusik in Vollkommenheit nach:
"Sie [die Kirchenmusik - Anm.] muss in einer sinnvollen Zuordnung zu dem Wort stehen, in dem der Logos sich geäußert hat."¹
Singen wir das Sanctus, z. B. aus einer Choralmesse, erleben wir die perfekte Harmonie zwischen dem Wort Gottes und der Musik, zwischen dem Gesang der irdischen und der himmlischen Kirche, ein Moment zeitloser Schönheit.


Das Liturgische Institut der Deutschsprachigen Schweiz formuliert so:
"Bereits in den ersten Jahrhunderten wurde dieser Ruf in den Liturgien des Ostens (4. Jh.) und Westens (5. Jh.) ein Teil des Hochgebets: „Heilig, heilig, heilig, Gott, Herr aller Mächte und Gewalten. Erfüllt sind Himmel und Erde von deiner Herrlichkeit.“ Der Saum seines Gewandes füllte in der Vision des Jesaja den Tempel aus: Gottes Gegenwart ist so überschwenglich, dass der Tempel zu klein erscheint, um davon ganz ausgefüllt zu werden. Seine Gegenwart reicht in ganz andere als rein menschliche Daseinsbereiche. Im Singen übersteigt der Mensch sich selbst. So kann er im Sanctus in den gewaltigen Gesang der Engel einstimmen, die einander unablässig die Heiligkeit Gottes zurufen, so dass die Türschwellen des Tempels erzittern. Unser Gesang erreicht den hier und jetzt auch in der Feier der Liturgie gegenwärtigen Gott. [...]

Wenn die betende Kirche singt: „hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn“, dann drückt sie damit aus, dass sie sehnsüchtig die Wiederkunft Christi erwartet. Die zum Gebet Versammelten wissen aber, dass Christus ihnen auch in der Eucharistiefeier in der Gestalt des Brotes und des Weines, in seinem Leib und Blut, geschenkt wird. Er kommt hinein in das „Jetzt“ und verbindet Himmel und Erde bis er wiederkommt „im Namen des Herrn“."²

Wie vielen unserer Gottesdienstbesucher ist dieses eigentlich bewusst? Wäre nicht alleine das Sanctus eine eigene Katechese, eine ausführliche Predigt wert? Zum Beispiel am Palmsonntag, wo das Gebet zur Segnung der Palmzweige nach dem Gesang des "Hosanna Filio David" hervorragend mit dieser Aussage korrespondiert:
Allmächtiger, ewiger Gott, segne diese Zweige, die Zeichen des Lebens und des Sieges, mit denen wir Christus, unserem König, huldigen. Mit Lobgesängen begleiten wir ihn in seine heilige Stadt; gib, dass wir durch ihn zum himmlischen Jerusalem gelangen, der mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit.

Vor allem ist aber zu hinterfragen, ob das leichtfertige Ersetzen des Sanctustextes - der übrigens klar und wörtlich festgelegt ist, und nicht etwa sinngemäß, wie gelegentlich entschuldigend behauptet - der Wichtigkeit und Einzigartigkeit des liturgischen Moments und der Einheit des Hochgebetes, dessen unverzichtbarer Bestandteil dieser Gesang ist, nicht äußerst abträglich ist.

Nach den Punkten, die grob skizzieren sollten welche Tiefe und Bedeutung dieser Gesang hat, sollten wir einen Blick in die kirchlichen Dokumente werfen. Im Schreiben Redemptionis Sacramentum³ finden wir folgende Aussage:
"Das Volk nimmt dennoch immer aktiv und nie rein passiv teil: Es soll sich mit dem Priester vereinen «im Glauben und in Stille wie auch durch die im Laufe des eucharistischen Hochgebetes festgesetzten Einschübe, das sind die Antworten im Eröffnungsdialog der Präfation, das Sanctus, die Akklamation nach der Wandlung und die Akklamation des Amen nach der Schlußdoxologie sowie andere von der Bischofskonferenz approbierte und vom Heiligen Stuhl rekognoszierte Akklamationen»."
Doch wie lautet nun der offzielle Text? In lateinischer und deutscher Sprache ist diese Version maßgeblich und auch so in den Meßbüchern veröffentlicht:
Sanctus, sanctus, sanctus Dominus Deus Sabaoth. Pleni sunt coeli et terra gloria tua. Hosanna in excelsis. Benedictus qui venit in nomine Domini. Hosanna in excelsis.

Heilig, heilig, heilig Gott, Herr aller Mächte und Gewalten. Erfüllt sind Himmel und Erde von deiner Herrlichkeit. Hosanna in der Höhe. Hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn. Hosanna in der Höhe.
Doch grau ist alle Theorie, wie schon Goethe im Ersten Teil des "Faust" den Mephistopheles feststellen ließ. Und da sind wir beim richtigen Thema: Der Teufel steckt im Detail, hier im Respekt vor der "unvordenklichen" Tradition des deutschsprachigen Liedes in unseren Landen, der sich leider auch auf manche schwächere Lieder und das Neue Geistliche Lied erstreckt, welches uns mit teils fragwürdigen Paraphrasen erfreut. Vom Mißbrauch, irgendein Lied, indem einmal das Wort "heilig" auftaucht, anstelle des Sanctus zu singen, ganz zu schweigen.

Ein Sanctus-Ersatz ist nach Maßgabe der Bischofskonferenz nicht zwangsläufig verboten. Es handelt sich schlicht um eine Grauzone. In solchen Fällen sei immer Folgendes geraten: wir werfen einen Blick ins Missale, und nehmen den dort veröffentlichten und approbierten Text als Maßstab (siehe oben). Schon wegen der fast wörtlichen Zitation des Wortes Gottes sollte man davon absehen, allzu leichtfertig Hand an das Ordinarium zu legen, und damit auch an das Sanctus. Mit einer guten Katechese über den Hintergrund dieses wunderbaren Gesanges wird auch dem Letzten klar, dass die vierte (im Gotteslob: dritte) Strophe des "Adeste Fideles" nicht als Sanctus geeignet ist - und übrigens auch nicht das entsprechende Lied aus der Schubert-Messe. Diese Lieder haben ihren Platz in den Außerordentlichen Form des Römischen Ritus, wo die Gültigkeit der Liturgie durch das Gebet des Zelebranten in jedem Fall sichergestellt ist.

In der Ordentlichen Form aber, wo die Gemeinde an dieser Stelle zum Liturgieträger wird, sollte man das Original der Paraphrase in jedem Falle vorziehen. Leider wird der recht sorglose Umgang mit den Ordinariumstexten durch das für das Jahr 2013 projektierte Erscheinen des neuen "Gotteslob" nicht behoben. Authentizität ist aber im Gottesdienst immer das höchste Gebot! Je mehr Ehrfurcht wir vor dem Erbe der Tradition spüren, je ernster wir die Rubriken nehmen, desto weniger wird es möglich sein, dass sich liturgische Mißbräuche am falschen Ort einschleichen.

Deshalb sollten wir das Sanctus schätzen, seinen Text meditieren und es gerne und regelmäßig "mit den Engeln und Erzengeln, den Thronen und Mächten und mit all den Scharen des himmlischen Heeres" zum Hochgesang Seiner göttlichen Herrlichkeit singen.
_____
¹) Joseph Ratzinger: Im Angesicht der Engel - Von der Musik im Gottesdienst, Herder 2008, S. 131
²) Liturgisches Institut in der Deutschsprachigen Schweiz: Link Sanctus
³) Redemptionis Sacramentum, Kap. III Abs. 54, hier

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