Schon lange fällt mir in katholischen, kirchenmusikalischen oder speziellen Orgelforen auf, dass dort die Frage, welcher Art Kirchenmusik sein sollte, für heftige Diskussion und oft genug für Entzweiung sorgt. Mich als Kirchenmusiker in Diensten einer großen deutschen Erzdiözese überrascht das nicht, stellen diese virtuellen Dispute doch nichts weiter dar als die Verlängerung eines Streites, dem man zwar selten offen (dafür dann aber mit überraschender Heftigkeit), aber oft genug unterschwellig in den Pfarrgemeinden begegnet.
Dabei ist zu beobachten, dass die Argumente stets in folgende Richtungen laufen: die einen fordern ausschließlich klassische Kirchenmusik (der Begriff Klassik ist eine Analogiebildung zum Klassizismus in der Architektur, wo diese Bezeichung durchaus zutreffend ist. Doch gibt es Klassik in diesem Sinne eigentlich in der Musik? Was genau ist klassisch in der Musik?), die anderen fordern Offenheit für Alles, wenn nur die Qualität stimmt. Und schon da – am Rande bemerkt – hapert es ja mitunter gewaltig. Die dritte Fraktion hat es bequem: sie muss sich stilistisch gar nicht festlegen (und ist somit auch kaum angreifbar), sondern fordert allgemein Modernität und Zeitgemäßheit.
Immer wieder fällt dann in der Diskussion die Aussage, dass die Kirche ja – Gott sei Dank! – keine Aussage zur Art und Stilistik der Kirchenmusik getroffen habe, und daher ja alles möglich sei. Harald Schützeichel formuliert:
Ich werde dieses Thema in weiteren Beiträgen noch zu vertiefen versuchen.
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¹) Schützeichel: Wohin soll ich mich wenden? Zur Situation der Kirchenmusik im deutschen Sprachraum, in StdZ 209 (1991)
²) Joseph Ratzinger: Theologie der Liturgie. Gesammelte Schriften Bd. 11, S. 561; Herder 2008
³) II. Vaticanum, Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium
Dabei ist zu beobachten, dass die Argumente stets in folgende Richtungen laufen: die einen fordern ausschließlich klassische Kirchenmusik (der Begriff Klassik ist eine Analogiebildung zum Klassizismus in der Architektur, wo diese Bezeichung durchaus zutreffend ist. Doch gibt es Klassik in diesem Sinne eigentlich in der Musik? Was genau ist klassisch in der Musik?), die anderen fordern Offenheit für Alles, wenn nur die Qualität stimmt. Und schon da – am Rande bemerkt – hapert es ja mitunter gewaltig. Die dritte Fraktion hat es bequem: sie muss sich stilistisch gar nicht festlegen (und ist somit auch kaum angreifbar), sondern fordert allgemein Modernität und Zeitgemäßheit.
Immer wieder fällt dann in der Diskussion die Aussage, dass die Kirche ja – Gott sei Dank! – keine Aussage zur Art und Stilistik der Kirchenmusik getroffen habe, und daher ja alles möglich sei. Harald Schützeichel formuliert:
„Im Prinzip kann jede Musik innerhalb des Gottesdienstes verwendet werden, von der Gregorianik bis zum Jazz. Natürlich gibt es Musik, die für den Gottesdienst geeigneter und wenig geeignet ist. Entscheidend ist die Qualität.“¹Prompt erntet er Widerspruch des renommierten österreichischen Liturgikers Philipp Harnoncourt, übrigens Bruder des bekannten Dirigenten Nikolaus Harnoncourt. Ein Widerspruch, in den auch kein Geringerer als Joseph Kardinal Ratzinger einstimmt, wenn er schreibt:
„In der Tat, Musik, die christlicher Liturgie dienen soll, muss dem Logos entsprechen, konkret: Sie muss in einer sinnvollen Zuordnung zu dem Wort stehen, in dem der Logos sich geäußert hat. Sie kann sich, auch als instrumentale Musik, nicht von der inneren Richtung dieses Wortes lösen, das einen unendlichen Raum freigibt, aber auch Unterscheidungslinien zieht. Sie muss ihrem Wesen nach andes sein als Musik, die in rhythmische Ekstase, in die rauschhafte Betäubung, in die sinnliche Erregung [...] hineinführen soll [...].“²Abgesehen davon, dass ich mich einmal mehr frage, warum Theologen das Wort Christus immer so schwer über die Zunge kommt, stellt sich nun die Frage, wie man diese Aussagen, die zunächst nur eine allgemeine Richtung angeben, präzisieren kann. Auch hier helfen offizielle kirchliche Texte weiter, die im deutschsprachigen Raum gerne und regelmäßig unterschlagen werden:
„Eine Kirchenkomposition ist um so mehr kirchlich und liturgisch, je mehr sie sich in ihrer Anlage, ihrem Geist und ihrer Stimmung dem Gregorianischen Gesang nähert; umgekehrt ist sie umso weniger des Gotteshauses würdig, als sie sich von diesem Vorbilde entfernt. Der altüberlieferte Gregorianische Choral soll daher in reichem Ausmaß bei den gottesdienstlichen Funktionen wieder verwendet werden.Diese Worte sind dem Motu Proprio Tra le sollecitudini des Hl. Papstes Pius X. von 1903 entnommen. Das heute so oft zitierte II. Vatikanische Konzil übernimmt große Teile dieses Dokuments fast wörtlich, und legt fest:
Alle mögen davon überzeugt sein, daß der Gottesdienst nichts an Glanz verliert, auch wenn er nur von dieser Musikart begleitet ist. Namentlich sorge man dafür, daß der Gregorianische Gesang beim Volke wieder eingeführt werde, damit die Gläubigen an der Feier des Gotteslobes und der heiligen Geheimnisse wieder lebendigeren Anteil nehmen, so wie es früher der Fall war.“
„Die Kirche betrachtet den Gregorianischen Choral als den der römischen Liturgie eigenen Gesang; demgemäß soll er in ihren liturgischen Handlungen, wenn im übrigen die gleichen Voraussetzungen gegeben sind, den ersten Platz einnehmen.“³Hier ist sicherlich nicht gemeint, dass künftig ausschließlich Gregorianischer Choral gesungen werden soll. Aber zumindest ist auch hier unzweideutig bestätigt, dass für die Kirche der Choral und die kunstvolle Polyphonie ein wesentliches Beurteilungskriterium für die Qualität kirchenmusikalischer Kompositionen darstellt. Dieses bestätigt auch der schon zitierte Joseph Ratzinger erneut, diesmal 2007 bereits als Papst Benedikt XVI. in seinem Apostolischen Schreiben Sacramentum Caritatis:
„Schließlich möchte ich, obwohl ich die verschiedenen Orientierungen und die sehr lobenswerten unterschiedlichen Traditionen berücksichtige, daß entsprechend der Bitte der Synodenväter der gregorianische Choral angemessen zur Geltung gebracht wird, da dies der eigentliche Gesang der römischen Liturgie ist. [...]Wir sehen, dass die Kirche der musikalischen Entfaltung weiten Raum gibt, jedoch auch klare Grenzen setzt. Oder, um es mit Joseph Marx zu sagen:
Ganz allgemein bitte ich darum, daß die zukünftigen Priester von der Seminarzeit an darauf vorbereitet werden, die heilige Messe in Latein zu verstehen und zu zelebrieren sowie lateinische Texte zu nutzen und den gregorianischen Choral zu verwenden. Man sollte nicht die Möglichkeit außer Acht lassen, daß auch die Gläubigen angeleitet werden, die allgemeinsten Gebete in Latein zu kennen und gewisse Teile der Liturgie im gregorianischen Stil zu singen.“
„Nicht alles, was tönt, ist Musik.“Wir könnten ergänzen: "...und nicht alles, was Musik ist, eignet sich als kirchliche Musik im Dienste der Liturgie". Ich würde mir wünschen, dass wieder mehr Priester die Sprache der Kirche wiederentdecken, und ausufernder Selbstdarstellung eitler Schrammelgruppen nicht noch in der Liturgie eine Bühne geben. Das Totschlagargument, es gäbe keinerlei bindende Definition, ist jedenfalls nicht zu halten.
Ich werde dieses Thema in weiteren Beiträgen noch zu vertiefen versuchen.
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¹) Schützeichel: Wohin soll ich mich wenden? Zur Situation der Kirchenmusik im deutschen Sprachraum, in StdZ 209 (1991)
²) Joseph Ratzinger: Theologie der Liturgie. Gesammelte Schriften Bd. 11, S. 561; Herder 2008
³) II. Vaticanum, Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium
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