Beim Reformationsgottesdienst in der alten Kirchbergkirche in Ruttershausen begrüßte Kirchenvorsteherin Sylvia Schulz-Otto die Anwesenden, und der stellvertretende Dekan Dieter Sandori sprach das Votum. Die beiden Dekanatskirchenmusiker Alexander Lang und Daniela Werner spielten die Orgel, und Lang dirigierte den Chor, der von Johann Sebastian Bach das Lied "Unter deinen Schirmen" sang. Natürlich durfte am Reformationstag auch das Lutherlied "Ein feste Burg ist unser Gott" nicht fehlen. Dekan Rolf Klingmann, der die Predigt hielt, hatte als Thema "Luther und die Musik" ausgewählt. Dabei ging er in der Geschichte 500 Jahre zurück, als die heilige Messe in lateinischer Sprache gehalten wurde, und das gemeine Volk nichts von alledem verstand. Es musste auch noch während des ganzen Gottesdienstes stehen, denn Sitzplätze waren dem Adel, und anderen vornehmen Familien vorbehalten.Was das Volk erfreute, war dabei einzig die Musik, die in ihre Herzen drang. Zwar hatte sich zehn Jahre danach daran nichts geändert, die Armen sind immer noch arm, und die Adeligen genauso einflussreich wie vorher, aber ein Ruck ging durch die deutschen Lande, denn ein kleiner ehemaliger Mönch, ein Theologieprofessor zu Wittenberg, hat "die Szene aufgemischt". Die Gedanken, die er sich, durchaus mit schweren inneren Kämpfen gemacht hatte, machte er dann öffentlich, und seit diesem denkwürdigen 31. Oktober 1517 ist die Welt nicht mehr die gleiche. Luther rückt die Botschaft von dem gnädigen Gott, der in Jesus Christus sein menschliches Gesicht gezeigt hat, und im Glauben erfahrbar wird, wieder in den Mittelpunkt. Luther war aber nicht nur ein sprachbegabter Theologe, sondern auch ein dem Leben zugewandter musischer Mensch. Er vertrat die Meinung, die Menschen sollten im Gottesdienst nicht nur verstehen, was in der Predigt verkündet wurde, sie sollten in Musik und Gesang ihrem Inneren, ihrem Gefühl Ausdruck verleihen.
In seiner Schrift über die Musik hat Luther 1530 die schöpfungshafte Wohltat der Musik hervorgehoben, wobei seine Wertschätzung der Musik insgesamt gilt, nicht nur der geistlichen. Dabei soll die Vielfalt musikalischer Ausdrucksmöglichkeiten die menschliche Seele ansprechen. "Musik in unserer evangelischen Kirche, in Andachten, Gottesdiensten und Konzerten, birgt die Möglichkeit in sich, dass Menschen, gerade auch solche die der Kirche eher distanziert gegenüber stehen, wieder Ansätze und Anknüpfungspunkte finden, um die Botschaft des Evangeliums wieder neu zu entdecken", erklärte Klingmann abschließend.
Tja. Und das alles haben wir in der katholischen Kirche nicht? Ich bin immer wieder erstaunt, wenn ich in Diskussionen höre, dass die Kirchenmusik in der evangelischen Kirche nun einfach mal einen höheren Stellenwert habe. Theologisch ist das Unsinn. Das Problem bei uns: 1. liest keiner die zahllosen kirchlichen Verlautbarungen zum Thema "Kirchenmusik", 2. hat sich niemand mit den Schriften Joseph Ratzingers zu diesem Thema befasst und 3. ziehen selbst jene, die es getan haben, selten genug echte Konsequenzen daraus. So mag in der Theorie falsch sein, was in der Praxis leider stimmt: die Evangelen haben die bessere Musik.
Und wenn man das unsägliche Pamphlet der Bischofskonferenz ("Musik im Kirchenraum außerhalb der Liturgie") liest, soll das wohl auch so sein. Schade!
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