Dienstag, 3. November 2009

Streit um Amorbacher Stummorgel

Das Fürstenhaus zu Leiningen, dem die Abteikirche Amorbach inklusive Stummorgel gehört, gönnte sich bisher den Luxus eines eigenen Organisten, der unter anderem dreimal (!) täglich die Orgel der Abteikirche Interessierten vorführte. Heute berichtet MAIN-NETZ:
7846 Mal hat Wenzel Hübner nach eigener Zählung in den vergangenen zwei Jahrzehnten die Stumm-Orgel erklingen lassen. Die Kündigung durch das Fürstenhaus im Sommer diesen Jahres kam für den 59-Jährigen unvermittelt. Er hat gegen seine Kündigung geklagt; der Termin vor dem Arbeitsgericht steht noch aus.

Andreas Fürst zu Leiningen hatte den Führungsbetrieb in der ehemaligen Abteikirche wirtschaftlich unter die Lupe nehmen lassen und den »seit Jahren defizitären Betrieb« auf die Streichliste gesetzt. Trotz verschiedener Restrukturierungsmaßnahmen sei es laut fürstlicher Verwaltung nicht möglich gewesen, ein positives Ergebnis zu erwirtschaften, der Gesamtbetrieb sei deshalb »nicht mehr zu verantworten«. Wenzel Hübner hält dem entgegen, dass er in den vergangenen Jahren immer wieder Konzepte vorgetragen habe, um mehr Besucher zu gewinnen. Seine Ideen seien jedoch nicht beachtet worden. Die Orgelvorspiele sind bereits gestoppt, ab dem kommenden Jahr wird es auch keine festen Führungstermine, sondern nur noch Gruppenführungen auf Voranmeldung geben. Begründet wird dieser Schritt mit den rückläufigen Besucherzahlen. [...]

Mit der aktuellen Entscheidungen des Fürstenhauses verliert die Stadt Amorbach weiter an touristischer Attraktivität. Reisegruppen können Führungen in der Abteikirche nur noch vorab buchen, Einzeltouristen und spontane Besucher können das barocke Gotteshaus ab kommenden Jahr weiter besichtigen, sich aber keinen Führungen mehr anschließen. »Die Orgel wird nicht verstummen«, widerspricht Hannelore Herkert von der fürstlichen Verwaltung Hübners Klage. Im kommenden Jahr werde die Reihe der Abteikonzerte auf 15 Veranstaltungen ausgeweitet. Wer die Klangfülle des berühmten Instruments erleben wolle habe dazu viele Gelegenheiten.

Welche finanzielle Zwänge Andreas zu Leiningen zu den Einschränkungen im Führungsbetrieb veranlasst haben, darüber gibt es keine belastbaren Informationen. Über die wirtschaftliche Situation des Fürstenhauses gab es nach den Strukturveränderungen und dem Personalabbau in der Verwaltung immer wieder Spekulationen, aber nie Stellungnahmen aus der Familie. Sicher ist jedoch, dass der jahrelange bis in die höchsten juristischen Instanzen geführte Erbstreit zwischen Andreas zu Leiningen und seinem älteren Bruder Karl-Emich wegen des enormen Streitwerts gewaltige Kosten allein an Anwaltshonoraren verschlungen hat.

Man weiss also nicht viel über die Hintergründe, die Beteiligten widersprechen sich. Bedauerlich ist natürlich die Kündigung eines Kollegen, der sich lange Jahre reiche Verdienste um dieses Instrument erworben hat. In der Tat erstaunt mich aber auch, dass eine Orgel jeden Tag dreimal Besuchern vorgespielt wird. Diese Quote hat nicht einmal der Passauer Dom, mit der ehemals größten Kirchenorgel der Welt. Möglicherweise wurde hier einfach der Blick zu spät auf die Realität gelenkt. Jedensfalls ist eine angekündigte Konzertreihe mit 15 Konzerten pro Jahr erfreulich. Es wird also weiterhin reichlich Gelegenheit geben, das Instrument zu hören. Und abgesehen von den Konzerten natürlich im Gottesdienst. Dafür wurde die Orgel ja eigentlich gebaut...

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