Freitag, 2. Oktober 2009

Da ist Musik drin... II

Mitten in München, am Odeonsplatz findet man die Stiftskirche St. Kajetan - bekannt auch als Theatinerkirche. Seit 1954 ist der Dominikanerorden für die Seelsorge an dieser Kirche zuständig.
"Die Theatinerkirche hat auf Grund der städtebaulichen Ausrichtung den Altar nicht im Osten, sondern im Westen stehen. Agostino Barellis Bauplan von 1667 sah keine Musikempore vor, nur die sechs deutlich sichtbaren Oratorien, die wohl auch teilweise zum Musizieren genutzt wurden. Die erste archivalisch belegbare Orgel baute hier 1686 der Münchner Orgelbauer Veit Weinberger. Sie wurde 1782 durch einen Neubau von Anton Bayr ersetzt. Dieses Instrument war bereits nach wenigen Jahrzehnten durch die Feuchtigkeit schadhaft geworden. Es folgte ein jahrelanger bürokratischer Kleinkrieg des Stiftspropstes und der Hofkapellmeister für einen Orgelneubau und die Errichtung einer Musikempore an der Ostwand der Kirche. König Ludwig I lehnte dies persönlich energisch in aller Schärfe ab, so kam es 1834 nur zum Zubau eines zweiten Orgelmanuals durch den Orgelbauer Frosch. Es folgten jahrelang ständige Reparaturen, schließlich vergab man 1902 einen Neubauauftrag an den Kgl. Bayerischen Hoforgelbaumeister Franz Borgias März. Nach den schweren Bombenschäden baute Carl Schuster 1947-50 in das akustisch sehr günstige Oratorium gegenüber der Kanzel eine Orgel mit Taschenladen ein."¹
Offenbar ist nun Besserung in Sicht. Im Oktober lädt die Gemeinde zu einer Orgelwoche ein, die auch dem Orgelbau in St. Kajetan zu Gute kommen soll. Schirmherr ist übrigens der ehemalige Regensburger Domkapellmeister Prälat Georg Ratzinger. Erfreulich finde ich, dass man sich nicht noch eine pseudofranzösische Krawallorgel zusammenschustern, sondern - dem Kirchenraum auch durchaus angemessen - an italienischen Vorbildern des 17. und 18. Jahrhunderts orientieren will. In diesem Fall wäre ein Orgelneubau mehr als gerechtfertigt, und ich mache hier gerne Werbung für dieses Projekt.

Der derzeitige Chor, die Vokalkapelle, ist quasi der Nachfolger der früheren Hofkapelle, die auch für die Kirchenmusik in der Theatinerkirche zuständig war. Ganz in dieser Tradition und den Verlautbarungen des II. Vaticanums entsprechend erklingen so am Sonntag in der (lateinischen) Messe um 10.30 Uhr Werke der Vokalpolyphonie von Orlando die Lasso, Palestrina, Ett, Rheinberger. Dazu wird das gregorianische Proprium gesungen. Einmal monatlich findet die Messe komplett im Gregorianischen Choral statt.

Schön, dass sich diese Kirche einen so unverkrampften Zugang zur Tradition bewahrt hat. Ad multos annos!

Die äußerst rudimentäre demütige Homepage von St. Kajetan: Theatinerkirche.de
Direktlink auf die Musikseite der Theatinerkirche hier: Kirchenmusik

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¹) Zitat entlehnt der Kirchenmusik-Homepage der Theatinerkirche

3 Kommentare:

  1. Nun ja, wenn man immer wieder mal auf einer dieser drittklassig neobarocken Obertonorgeln, welche die 1960-er Jahre in Bauhausmanier in manche Kirche schwemmte, spielen muß, dann wächst die Sehnsucht nach einer neofranzösischen Krawallorgel aber gewaltig. Und eine Voix Céleste ist mit natürlich grundsätzlich lieber als irgend so eine süddeutsch-italienische Quintenschleuder-Schwebflöte, so Biffara-Wiederbelebungsversuche etc ...

    ;-)

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  2. Ja, du hast vollkommen recht. Jede Generation macht ihre Fehler. Natürlich ist die Zerstörung wunderbarer Barockorgeln durch Romantisierung zu beklagen. Ebenso, wie die Zerstörung gelungener romantischer Werke durch Rebarockisierung, die teilweise auch noch falsch verstanden wurde, so daß man auch noch barocke Originalsubstanz "korrigiert" - und damit oft genug vernichtet - hat.

    Nur haben wir mittlerweile eine solche Inflation von Cavaillé-Coll-Nachbauten (bitte: ich LIEBE Cavaillé-Coll!), dass es einfach schon wieder langweilig wird. Gerade gestern habe ich auf einer neobarocken Marcussen gespielt.

    Wunderbar! Man sollte alles in homöopatischen Dosen genießen. ;-))

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  3. Zugegeben wird mit der Franzmannmode auch manch Unsinn getrieben. So wurde hier in einer Kirche mit trockenster Wohnzimmerakustik eine romantisch-symphonische Orgel eingebaut, absoluter Schwachsinn, an dem mein "Lieblingsorgelsachverständiger" natürlich auch wieder beteiligt war.

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