Freitag, 9. Oktober 2009

Ein Vorbild der Erneuerung

Am 8. Mai 1991 starb im Alter von 84 Jahren einer der interessantesten französischen Organisten und Komponisten: Jean Langlais. Er wurde 1907 im bretonischen La Fontenelle geboren und erblindete im Alter von zwei Jahren. Er besuchte das Institut National des Jeunes Aveugles, das nationale Blindeninstitut in Paris, wo er Orgel, Klavier, Komposition sowie Violine bei hervorragenden Professoren studierte. 1927 wechselte er an der Pariser Konservatorium an der Rue de Madrid, wo er in die Orgelklasse des legendären Marcel Dupré eintrat - übrigens gleichzeitig mit Olivier Messiaen (die beiden großen Komponisten bezeugten einander stets großen Respekt und Zuneigung, standen dem Werk des jeweils anderen aber mit eher beschränktem Verständnis gegenüber). Dort gewann er 1930 einen Ersten Preis, und setzte seine Improvisationsstudien bei Charles Tournemire fort. Später wurde er selber Professor am Blindeninstitut, sowie später auch an der Schola Cantorum.

1945 wurde Jean Langlais Titularorganist an der Basilika Ste-Clotilde, wo er großen Meistern wie César Franck und seinem Lehrer Charles Tournemire folgte. Der Ruf, den er sich als Konzertorganist, als Improvisateur und als Pädagoge erarbeitete, ließ Scharen von Schülern aus aller Herren Länder nach Paris strömen. Doch auch als Komponist wurde Langlais geschätzt. Eines seiner Markenzeichen ist der stilistische Rückgriff auf klassische Formen (Anklänge ans Mittelalter sind häufig zu finden, sowie aus der Barockzeit) bei gleichzeitiger Verwendung einer kühnen und sehr persönlichen Tonsprache. Bemerkenswert am Werk Langlais' ist nicht nur die Modernität, die Kreativität und Individualität, sondern zugleich auch eine gewisse Praktikabilität: zwar enthält sein mehr als 240 Werke umfassendes Œuvre auch ausgesprochen virtuose Stücke, doch sind viele kleinere Orgel- oder Chorkompositionen auch von engagierten Laienmusikern mit einem angemessenen Übeaufwand realisierbar.

Jean Langlais geistliches Chorwerk, eine gute Liste findet man auf Wikipedia, lohnt eine Betrachtung unter dem Aspekt der kirchenmusikalischen Erneuerung, die aus den Schreiben des Papstes Pius X. und aus der Liturgischen Bewegung erwuchsen, und dann in die entsprechenden Dokumente des II. Vaticanums mündeten (wir lassen die tatsächliche nachkonziliare Entwicklung jetzt außer Acht). Seine zahlreichen Messkompositionen erfreuen sich auch heute noch großer Beliebtheit. Sie sind in Schwierigkeitsgrad und Umfang wunderbar auch in die nachkonziliare Liturgie integrierbar. Sein kurzes, feierliches Werkchen für einstimmigen Chor, Trompeten und Orgel "Tu es Petrus", welches er anläßlich eines Papstbesuches in den USA schrieb, ist mit dem zusätzlich abgedruckten Untertext "Sacerdos et Pontifex" auch zum Einzug eines Bischofs hervorragend zu gebrauchen und sei hiermit wärmstens empfohlen. Drei festliche Psalmenkompositionen, die zwischen 1962 und 1964 entstanden, lassen sich von amitionierten Chören mit instrumentaler Ergänzung wunderbar in einer feierliche Vesper aufführen. Seine "Missa in simplicitate" ist einstimmig mit Solisten und Orgel aufführbar, ebenso die Messe "Joie sur terre" und zahlreiche weitere Werke. Leider rechnen viele Chorleiter immer nur mit vierstimmigen Chören, und alles, was nicht vierstimmig singt, ist eben kein Chor mehr. Es gäbe so viele Werke für ein- bis dreistimmigen Chor zu entdecken! Manchmal sind diese Werke eine echte Bereicherung, und keinesfalls eine Notlösung für Chöre, die nicht mehr die volle Besetzung haben.

Ich bin ein großer Verehrer von Jean Langlais da er gewissermaßen ein Idealbild eines Kirchenkomponisten in der Zeit während des und nach dem Konzil darstellt. Er beweist, dass niveauvolle Kirchenmusik "machbar" sein kann, in die Liturgie integrierbar ist und Modernität nicht einfach nur "schräg tönen" muss. Sein Werk ist eine echte Bereicherung der Kirchenmusik, und für große Teile der deutschsprachigen "Szene" eine lohnende Entdeckung!

Auf Youtube kann man etliche Orgelwerke hören. Seine Chorwerke sind dort leider bisher spärlich vertreten.

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Eine dem Komponisten gewidmete Homepage findet man
HIER.

2 Kommentare:

  1. "die beiden großen Komponisten bezeugten einander stets großen Respekt und Zuneigung, standen dem Werk des jeweils anderen aber mit eher beschränktem Verständnis gegenüber"

    Ist das nicht herrlich!
    So wünscht man es sich unter Musikern: Wer weiß was er kann (und nicht kann), braucht den anderen nicht klein zu machen.

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